Ringvorlesung
Rembert Hüser (Minneapolis): LA CHINOISE, es ist komisch
13. Juni 2013, 20.15 Uhr, Filmmusum Schaumainkai
Es ist nicht so einfach, wenn der Ort der Utopie das Haus der Eltern in den Sommermonaten ist. Es ist kurz vor 1968. 1967. Es ist nicht China, weit weg, sondern Nanterre, hier. Es ist eine Experimentalanordnung mit fünf Studenten und zwei Gästen, die Theorie in Leben umsetzen wollen. Maoistische BOUVARD ET PÉCUCHET, wenn man so will. Nicht in Rente, sondern in den Semesterferien. Der Einsatz ist nichts weniger als wissenschaftliches, politisches, filmisches Arbeiten. Und die Liebe. Wo kommt die Energie für die Veränderung her? Wie kann man Leben drehen? Wie stellen wir Zusammenhänge anders her? Es ist kompliziert, banal, privat, repetitiv, fiktiv, theatralisch, witzig, unverständlich, dokumentarisch. Welche Bilder nehmen es mit einer Situation auf? Wie macht man Filme politisch? Wann wird etwas innovativ? Wie kriegen wir neue Formen in unseren Alltag? Machen wir uns nicht lächerlich? Wichtig scheint zu sein, Unentscheidbarkeit aushalten zu können. Gemeinsam etwas eine Zeit lang eine Chance zu geben. “Das dient mir dazu, zu zeigen, verfechten zu können, daß da was Wahres dran ist, auch wenn es gleichzeitig etwas Lächerliches hat” (Godard, Einführung in eine wahre Geschichte des Kinos, S. 218). Das Medium ist “Film der im Entstehen begriffen ist.” Nach wie vor. Die Eltern kommen aus den Ferien zurück. Es ist lächerlich. Es ist was Wahres dran.
Film: LA CHINOISE, F 1967, 93 min. Farbe
Rembert Hüser ist Professor für Filmwissenschaft und Germanistik an der University of Minnesota.