Vortrag und Workshop
Michael Lüthy/Weimar: Manet, Metropole, Moderne: Le chemin de fer (1872/73) im Kontext der Zeit- und Kunstgeschichte
23. Januar 2019, 12-16 Uhr, Campus Westend, SH 3.105
Edouard Manets Bilder, längst Teil des Fundus einer Kunstgeschichte der Meisterwerke, sind eigentlich visuelle Sprengladungen. Viele seiner Zeitgenossen stießen sich an den irritierenden Strukturen seiner Szenographien: Der Blick auf vermeintliche Hauptmotive ist verstellt – oder diese selbst schon aus dem Bildfeld entschwunden (so der berühmte Chemin de fer, 1872/73). Die Haupthandlungen sind häufig bereits beendet, die dargestellten Konstellationen mehrdeutig. Ferner schließen sich viele Kompositionen nicht mehr zur Einheit, Protagonisten blicken ins Leere bzw. durch den Betrachter hindurch. Damit werden nicht nur seine Seherwartungen und Leseanstrengungen frustriert, auch wird ihm eine Ansprache verweigert. Zurück bleibt ein terrain vague zwischen Bild und Betrachter. Manet setzt damit Erfahrungen, die für die moderne Metropole charakteristisch sind, ins Bild: Beschleunigung, Rastlosigkeit, Fragmentierung und Anonymisierung.
Dem Bildhistoriker Michael Lüthy gelingt es in seinen Arbeiten, die Strukturen der Manetschen Bilder offenzulegen, das sie bestimmende System der Blicke bzw. Nicht-Blicke zu analysieren – und überhaupt das Sprengpotential von Manets Szenographien jenseits einer konventionellen Aneignung wieder zu aktivieren. Dabei spielt auch die von ihnen geleistete Reflexion von moderner Urbanität, ihrer verstörenden visuellen Muster wie schockartigen Wirkungsweisen, eine besondere Rolle.
Der Vortag ist ohne Voranmeldung universitätsöffentlich. Wer am begleitenden, ebenfalls öffentlichen Workshop teilzunehmen möchte, sollte eine Email an dauss@kunst.uni-frankfurt.de senden.
