Avantgarde, Antagonismus, Ausstieg – Die sozialistische Kunstwelt im Westdeutschland der 1970er Jahre und der künstlerisch-politische Aktivismus von Hans-Peter Alvermann, Jochen Hiltmann und Chris Reinecke (Arbeitstitel)
Die späten 1960er Jahre gelten wie nur wenige andere Zeitabschnitte als Speerspitze für die Politisierung des gesellschaftlichen Lebens. Auf sie folgte mit Beginn der 1970er Jahre eine Zeit der Fragmentierung, in der das symbolische Bild der Straße durch zersplitterte Gruppierungen entlang parteipolitischer Linien ausgetauscht wurde. In gleichem Maße entzündeten sich Debatten über die politische Wirkmacht von Kunst, ihre gesellschaftliche Stellung und der daraus folgenden Selbstdefinition von Künstler*innen. Orte für diese Aushandlungen waren Zeitschriften und Veranstaltungen, die dem Kontext kommunistischer Organisationen entsprangen und sich über Westdeutschland hinweg ausdifferenzierten.
Diese „sozialistische Kunstwelt“, wie ich sie in meinem Projekt zum ersten Mal systematisch erfassen will, dient als Hintergrund für eine Betrachtung der Werke von Hans-Peter Alvermann, Jochen Hiltmann und Chris Reinecke, um die Frage zu verfolgen, wie im Westdeutschland der 1970er Jahre politisches Handeln und künstlerische Praxis konvergierten. Den ausgewählten künstlerischen Positionen ist gemein, dass die zeitweilige Pausierung einer klassisch verstandenen Praxis zu Beginn der 1970er Jahre, meist zugunsten von politischem Engagement, fester Bestandteil ihrer kunsthistorischen Biografie wurde. Mein Projekt konzentriert sich gerade auf diesen Zeitraum der vermeintlichen Inaktivität, um zu fragen, wie sich die stetig beschworene Opposition von Kunst und Politik selbst in künstlerischen, quasi-künstlerischen und rein politischen Formen artikulierte.